Unterwegs auf Stuttgarts Höhen

Die Stuttgarter Höhen erkundeten vor einiger Zeit die Wanderfreunde der Ortsgruppe Bietigheim. Nach kurzer Anfahrt mit der S-Bahn startete man am Bahnhof Österfeld Richtung Dachswald, unterquerte die Gleise der Gäubahn, um dann in die Höhenlagen aufzusteigen. Bei der ersten Verschnaufpause erfuhr man, dass Stuttgart eben nicht direkt am Neckar, sondern am Nesenbach liegt. Früher ein durchaus nicht unwichtiges Flüsschen für die Stuttgarter Bevölkerung, ist der Nesenbach heute zum Abwasser- und Regenkanal degradiert und hat außerdem „Stuttgart 21“ eine Zeit lang ausgebremst. Ein paar hundert Meter weiter, und man befand sich bereits „Im Himmel“, einer exclusiven Wohngegend in perfekter Höhenlage. Bereits 1910 hat sich der kaufmännische Direktor von Bosch, Hugo Borst, dort oben seine Sommerresidenz gebaut. „Da hent se den schensten Platz in ganz Schduagat ergattert“ soll schon damals Prof. Bonatz, der Erbauer des Stuttgarter Hauptbahnhofs, über diesen wahrhaft himmlischen Standort geschwärmt haben.

Weiter ging‘s, nun abseits geteerter Straßen, die Stierlingssteige hinab bis zu den Heslacher Wasserfällen, die, dank ergiebiger Regenfälle im Frühjahr, ihrem Namen ausnahmsweise alle Ehre machten und idyllisch ins Tal hinab plätscherten. Die alte B 14 überquerend, ging‘s am Waldrand entlang, durch ein Kerbtal und weiter auf einem interessanten Höhenweg, der Ausblicke auf Heslach und Fernblicke auf den Fernsehturm bot. Die Hasenbergsteige abwärts lohnte sich ein weiterer aussichtsreicher Zwischenstopp mit Blick auf den Stuttgarter Westen. Beim „Schwab am Hauseck“ blickte man hinunter auf die Schwabstraße. Direkt über dem namensgleichen Tunnel stehend, erfuhr man Interessantes über dieses, schon damals monumentale Bauwerk. Nach einer Mittagsrast auf der Karlshöhe, natürlich mit Panoramablick über Stuttgart, ging‘s auf einer der vielen Stuttgarter Stäffele hinab bis zum Marienplatz. Dort genoss man ein Käffchen oder Bierchen im Freien und erfuhr einiges über die wechselvolle Geschichte dieses Platzes. 1876 als Park angelegt, später die modernste Zirkusmanege des Reichs, bis in die 1930er Jahre liebevoll „das Anlägle“ genannt, später von den Nazis vorübergehend zum „Platz der SA“ umbenannt, während des Kriegs teilweise als Kartoffelacker genutzt, später ein Anziehungspunkt für Junkies und Obdachlose, hat er sich nach seinem Umbau zum gemütlichen Multi-Kulti-Treffpunkt gemausert.

Mit der „Zacke“ ging‘s, nun recht bequem und sehr aussichtsreich, hoch bis zum Haigst, wo man auf dem Santiago-de-Chile-Platz nochmal einen grandiosen Blick auf die Stuttgarter Innenstadt werfen konnte. Per Pedes ging‘s weiter bergauf nach Degerloch, dank der 200 Höhenmeter Unterschied zum Stuttgarter Kessel im 19. Jahrhundert ein Luftkurort, in dem betuchte Stuttgarter die heißen Sommermonate verbrachten. Durch den Wald ging‘s weiter zum Garnissonsschützenhaus, ehemals Scheibenwerkstatt und Kantine der Königlichen Garnison Stuttgart, und zum Dornhaldenfriedhof, ehemals Standort der dazugehörenden Schießbahnen. Anschließend besuchte man die Prominentengräber auf dem Waldfriedhof bevor es die idyllische Schwälblesklinge bergab bis Kaltental ging. Ein kleiner Anstieg noch und man hatte das „Schwäbische Maultaschenparadies“ erreicht, wo man sich bei der verdienten Schlusseinkehr diese regionale Spezialität auf unterschiedlichste Art schmecken ließ. Es war eine wahrhaft aussichtsreiche und informative Wanderung, die uns idyllische und moderne, alltägliche und geschichtsträchtige Plätze unserer Landeshauptstadt zeigte und den Feinstaub verdienterweise auf die hinteren Ränge verwies!