Neunundvierzig Wanderer/innen nutzen das Vorfrühlingswetter, um an der Nachmittags-wanderung von Bad Cannstatt zum Max-Eyth-See teilzunehmen. Am Bahnhof Cannstatt erfuhr die Gruppe, dass die erste Eisenbahn Württembergs am 5. Oktober 1845 von hier nach Untertürkheim fuhr. Der Anschluss nach Stuttgart selbst war erst etwa ein Jahr später fertiggestellt, wobei der Bahnhof sich damals noch beim Schlossgarten befand.
Von hier ging es zuerst einmal durch die Altstadt von Bad Cannstatt. Die am Wilhelmsplatz befindliche Wassersäule soll für Bad Cannstatt den engen Bezug zum Element Wasser darstellen. Hier befand sich auch das ältestes Cannstatter Mineralbad. Dessen Quelle wurde bereits um 100 n. Chr. von den Römern genutzt. Nach der Neckarregulierung trat die Quelle nur noch schwach aus und wurde durch Kriegseinwirkung 1944 endgültig zerstört.
Auch auf dem weiteren Weg durch die Innenstadt war das Mineralwasser durch viele Brunnen ständig präsent. Die meisten von ihnen sind ganzjährig in Betrieb und werden von den Einheimischen genutzt, um ihr Mineralwasser zu holen. Vorbei an Resten der ehemaligen Stadtmauer gelangte die Gruppe nun zu dem 1491 erbauten Rathaus. 1875 wurde dieses umgestaltet und das Eingangsportal hinzugefügt. In dessen Dachreiter befindet sich die zweitälteste Glocke von Württemberg. Von der Marktstraße bog die Gruppe ab zu dem versteckt liegenden Klösterle, einem herrlichem Fachwerkkleinod. Erbaut wurde es 1463 und ist heute das älteste Wohnhaus Stuttgarts. Bis zur Reformation wirkten hier die Beginen, ein Frauenorden, der als mildtätig galt und ohne Ordensregeln auskam. Das Klösterle ist das einzige Beginenhaus mit integrierter gotischer Kapelle. 1983 wurde das Gebäude originalgetreu restauriert. Heute befindet sich eine Weinstube darin. In der daneben befindlichen Kloster-Scheuer befindet sich das Cannstatter Stadtmuseum. Gleich um die Ecke gelangte die Gruppe zum Thaddäus-Troll-Platz. Thaddäus Troll war das Pseudonym des Schriftstellers und Journalisten Dr. Hans Bayer. Seine bekanntesten Werke: „Deutschland, Deine Schwaben“ und „D´r Entaklemmer“. Den Platz ziert eine Plastik der Künstlerin Elke Krämer, die den Entenklemmer visuell umgesetzt hat.
Auf dem Weg zurück zum Marktplatz gelangte die Gruppe nun zur Stadtkirche, einer spätgotischen dreischiffigen Hallenkirche, die von 1471 bis 1506 von Aberlin Jörg d. Ä. (der uns Bietigheimern vor allem als Erbauer der Enzbrücke bekannt ist) geschaffen wurde. Der Turm wurde erst 1643 im Renaissancestil angebaut. An zwei weiteren interessanten Gebäuden vorbei ging es nun in Richtung Kurpark, einmal dem „Alten Spital“. Erbaut wurde es 1545 als Krankenhaus und Altersheim, im 18. Jh. diente es als Lagerhaus des Cannstatter Hafens, später als jüdische Religionsschule und Volkscafé. Gleich daneben befindet sich der „Goldene Löwen“, das ehemalige Zunfthaus der Fischer. In diesem befindet sich seit 1717 die Hauptlade der Fischer- und Schifferzunft.
Zügig marschierte die Gruppe nun zum Kurpark. Vorbei am Junobrunnen führte der Weg hin zu dem im Stil des Klassizismus von 1767 – 1845 erbauten Großen Kursaal. Davor befindet sich ein Reiterstandbild König Wilhelm I., rechts daneben der zu Beginn des 20. Jh. im Jugendstil erbaute Kleine Kursaal und links das 1994 eröffnete Mineralbad. Ein kleiner Anstieg hinter dem Kursaal bot von dort oben nun eine herrliche Sicht in den Stuttgarter Talkessel. Wieder abwärts wurde der Eisenbahnviadukt Stuttgart-Münster erreicht, dieser dient als Güterumgehungsstrecke von Untertürkheim nach Kornwestheim. Die 855 Meter lange Brücke wurde 1896 als Eisenfachwerkkonstruktion, die auf gemauerten Pfeilern ruhte, in Betrieb genommen. Die nach Wilhelm II. benannte Brücke war damals die größte und mächtigste Stahlfachwerkbrücke im Königreich Württemberg. Der Viadukt wurde kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs gesprengt und 1954 wieder in Betrieb genommen. Er wurde ab 1984 an benachbarter Stelle durch eine Stahlbeton-Konstruktion ersetzt. Der letzte Zug über den alten König-Wilhelm-Viadukt fuhr am 10. Februar 1990. Ein Originalpfeiler ist erhalten geblieben und wurde als künstliche Kletteranlage freigegeben. Die fachliche Betreuung für das Sportklettern hat die Sektion Stuttgart des Deutschen Alpenvereins übernommen. Beim Kraftwerk Münster wurde nun der Neckar überquert. Vom Steg aus wurde ein Vierer mit Steuermann bei seinem Training von der Gruppe enthusiastisch angefeuert. Das Kohlekraftwerk nahm 1908 für die Stadt Stuttgart die Stromerzeugung auf. 1935 beginnt im Kraftwerk Münster die Fernwärmeerzeugung, erste Kunden sind die Mineralbäder und das Krankenhaus Bad Cannstatt. 1965 wird die Müllverbrennungsanlage in Betrieb genommen und läutet damit eine neue Ära in der Kraftwerksgeschichte ein. Strom und Fernwärme werden ab diesem Zeitpunkt auch aus Abfall erzeugt. Es können jährlich über 420.000 t Müll verbrannt werden.
Am nächsten Steg wechselte die Gruppe wieder auf die rechte Neckarseite über. Vorbei führte der Weg an den bekannten Weinlagen Cannstatts der „Halde“ und dem „Zuckerberg“, der Name „Canstatter Zuckerle“ dürfte unter Weinkennern ein Begriff sein. Zielstrebig ging es nun Richtung Max-Eyth-See, dessen Namensgeber der schwäbische Ingenieur und Schriftsteller Max Eyth (1836–1906) ist. Gebildet wurde der See in den 1920er Jahren durch Kiesabbau. Die zunehmend wachsende Grube bildete den Ursprung des heutigen Sees. 1935 entstand dann Stuttgarts größter See im Zuge der Kanalisierung des Neckars. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs war am Süd-Ost-Ufer ein Strandbad eingerichtet. Der See war damals kein eigentlicher See, sondern eine Erweiterung des Neckars mit liebevollen Details wie z.B. einem Leuchtturm und Ausflugsschiffen. Mehrfach wurden auf dem See Segelregatten durchgeführt, in den Jahren 1953 und 1954 auch Motorbootrennen. 1961 wurden das Gelände und der See unter Landschaftsschutz gestellt. Der See ist 575 Meter lang und 345 Meter breit und wird durch eine Halbinsel in zwei Schenkel geteilt. Das weitläufige Gebiet um den See ist eines von vielen Naherholungsgebieten der Stuttgarter Bevölkerung. Es gibt große Rasenflächen mit alten Bäumen und einige Grillplätze sowie einen kleinen, künstlich angelegten Sandstrand auf der in den See ragenden Halbinsel. Es gibt einen Verleih von Tret-, Ruder- oder Elektrobooten. Das Baden und Schlittschuhlaufen, ist jedoch nicht erlaubt. Die naturbelassene Uferlandschaft des unter Landschaftsschutz gestellten Sees ist Lebensraum für viele seltene Tiere und Pflanzen inmitten der Stadt geworden. Im nordwestlichen Teil des Sees sind 3 Vogelschutzinseln angelegt, welche Graugänse, Schwäne, Teich- und Bleßhühner, Kormorane und Graureiher beheimaten. Der Max-Eyth-See ist ein übermäßig nährstoffreiches Stillgewässer, das vor allem unter der starken Produktion von Kleinalgen und Zooplankton leidet. Außerdem wird der See fast ausschließlich mit Neckarwasser gespeist. Vor allem in heißen Sommern ist der See regelmäßig vom Umkippen bedroht. Im Januar 2008 wurde die Initiative „Der Max-Eyth-See Stuttgart soll sauber werden“ vom Kabarettisten Christoph Sonntag ins Leben gerufen, um den Max-Eyth-See zu retten. Unter der Schirmherrschaft von Günther Oettinger wollte die Initiative der Stiftung des Kabarettisten Christoph Sonntag und der Landesstiftung Baden-Württemberg sowie zahlreicher Partner und Sponsoren erreichen, dass der Max-Eyth-See sauberer wird. Am Max-Eyth-See wurden inzwischen mehr als 1,3 Millionen Euro investiert, um den See zu retten. Gleichzeitig wurde der Naturschutz am See trotz des massiven Besucherandrangs gestärkt. In 2008 wurde als erster Schritt zwischen dem EnBW-Pumpwerk Hofen und dem Max-Eyth-See die erste Wasserleitung gebaut, welche dem See seitdem über die Sommermonate 7 l/s sauberes Grundwasser zuführt. 2010 wurden die Bauarbeiten für die zweite Frischwasserleitung begonnen, so können jetzt in den Sommermonaten zusätzlich 33 l/s Frischwasser in den See am Südufer eingeleitet werden. Das Badeverbot bleibt weiterhin bestehen.
Endlich hatte man die lang ersehnte Schlusseinkehr erreicht. Bei Speis und Trank ließ es sich die Gruppe gut gehen, aber auch die Unterhaltung unter den vielen Wanderfreunden kam nicht zu kurz. Zum Abschluss war nur noch ein kurzer Fußweg zur Stadtbahnhaltestelle zurückzulegen. Wie zeitlich vorgesehen wieder in Bietigheim angekommen, nahm ein gelungener Nachmittag sein Ende.