Ungewöhnlich für die Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins Bietigheim, dafür umso erfreulicher war es, dass sich am Samstagmorgen zahlreiche Teilnehmer zur Halbtageswanderung von Ditzingen nach Leonberg am Bietigheimer Bahnhof einfanden. Nicht weiter ungewöhnlich, dennoch umso ärgerlicher war es sodann, dass die Bahn an diesem Tag unberechenbar blieb und den kompletten S-Bahnverkehr von und nach Bietigheim ausfallen ließ.
Die Albvereinler verzagten jedoch nicht und erreichten über alternative Zugverbindungen den Startpunkt ihrer Tour in Ditzingen. Von dort marschierte die Gruppe, eingedenk ihres aufgezwungenen Verzugs, zügigen Schrittes in westlicher Richtung aus dem Ort heraus und kreuzte alsbald die Glems. Dem in Schleifen mäandernden Fluss folgend und an mehreren Mühlen vorbei, bogen die Wanderer kurz vor Höfingen in südöstliche Richtung auf freies Feld ab. Der Engelberg mit seinem Turm geriet ins Blickfeld.
Von nun an ging es erst gemächlich, danach immer steiler und schweißtreibender bergauf. Die ersten Häuser auf dem Leonberger Engelberg waren erreicht und kurz darauf standen die Albvereinler schon vor dem Wahrzeichen der Stadt: Dem Engelbergturm. Dieser wurde 1928 als Wasserturm u.a. zur Versorgung des Golfplatzes auf der Leonberger Heide errichtet und bis 1982 als solcher genutzt. Ein Schlüssel war zur Hand, so dass die Wanderer ins Innere des Turms gelangten und die 123 Stufen bis zur Aussichtsplattform emporsteigen konnten. Von dort bot sich den Albvereinlern v.a. ein Blick über das Strohgäu, nach Gerlingen und zur Schillerhöhe und auf das nach Norden führende Band der A 81. Wieder unten angekommen, führte der Weg die Gruppe abwärts in die Leonberger Altstadt.
Am Brunnen auf dem Marktplatz wurden die Wanderer bereits von der Stadtführerin Frau Dielmann erwartet. Diese informierte die Albvereinler bei einem kompakt gehaltenen Rundgang nicht nur über die obligatorischen Daten zur Stadtgründung, sondern erläuterte auch allerlei Kurioses und Bizarres: So wurden nach dem großen Altstadtbrand von 1895 Sonderzüge eingesetzt, um Katastrophentouristen vor Ort zu bringen. Die Mutter von Johannes Kepler, welcher Ende des 16. Jahrhunderts hier zur Schule ging, wurde nach dem Tod ihres Mannes postwendend als Hexe angeklagt. Ohnehin war Leonberg zu dieser Zeit eine Hochburg der Hexenverfolgung. In einer früher als „Mistgasse“ bezeichneten Straße bekam die Gruppe gezeigt, mit welcher Vorrichtung die Frauen den Schmutz der Straßen von ihren feinen Schuhen fernhielten. Zuletzt wurden die Wanderer in den Pomeranzengarten am Leonberger Schloss geführt. Dieser wurde auf Geheiß von Herzogin Sybilla, die in Leonberg nach dem Tod ihres untreuen Mannes Friedrich I. von Württemberg ihren Wittwensitz fand, von Heinrich Schickhardt Anfang des 17. Jahrhunderts als Blumen-, Kräuter- und Lustgarten im Renaissancestil angelegt. Erst 1980 wurde man auf den über die folgenden Jahrhunderte vergessenen und zugewucherten Garten wieder aufmerksam und konnte diesen restaurieren.
Gut mit neuem Wissen versorgt, wurden die Albvereinler von Frau Dielmann zur Mittagseinkehr entlassen. Hier konnten die Wandersleute bei leckerem Essen und erfrischenden Getränken neue Kräfte sammeln, bevor es mit nun planbaren Zugverbindungen wieder heim nach Bietigheim ging.